Selbstregierung

Früher nahm die Macht den direkten Weg und war Zwang. Heute geht sie viele Umwege und wird darin zur sanften Invasion. Der sanfte Zwang sorgt dafür, dass der Mensch aus freien Stücken das will, was von ihm gewollt wird. Er will dann das von selbst, was er früher zwangsweise machen musste.

Die Katze überträgt ihren Willen gerne auf diese Weise. Sie droht nicht wie ein Sklaventreiber mit der Peitsche, sondern manipuliert sanft den Menschen. Sitzt sie vor der Tür, lässt der Besitzer sie rein. Will sie sofort wieder aus dem Haus, macht er ihr wieder die Tür auf. Überlegt sich die Katze es aber doch wieder anders, lässt er sie wieder rein. So macht er genau da, was die Katze will und fasst das Fremdinteresse als sein ureigenstes Interesse auf.

Der Chef, die Freundin, der Freund, die Mutter, die Werbung, Katze und Hund sind sanfte Invasoren und nutzen die Freiheit des einzelnen Menschen, damit er seine Selbstregierung als Fremdregierung lebt. Die Führung der Selbstführung ist das Ziel, die eine leichte Beute ist, weil die wenigsten Menschen überhaupt keine intakte Selbstregierung besitzen. Es ist nämlich leichter, Befehle entgegen zu nehmen als sich selbst zu befehlen. Es ist leichter Sklave zu sein als sein eigener Herr. Denn man kann sich schlecht selbst zu etwas zwingen, weil man leicht Ausreden findet und sich nicht gut selbst bestrafen kann.

So wie die Macht von Außen muss also auch die Selbstregierung darauf setzen, keine direkten Befehle zu geben. Sie muss kleine Umwege zu gehen, um sich selbst auf sanfte Art zu bestimmen. Dafür braucht man viele kleine sanfte Invasion seiner selbst.

Die sanfte Invasion

Sitzt die Katze vor der Tür und möchte ins Haus, lässt der Besitzer sie rein.

 

Ist sie im Haus und die Tür wieder zu, will sie wieder raus.

 

 

Der Mensch macht die Tür wieder auf, lässt die Katze raus und nach fünf Minuten geht das Spiel wieder von vorne los: ohne den geringsten Befehl herrscht das  Tier.

 

Seminarplan

Im Menschen kreuzen sich viele Interessen und es gibt einen ständigen Machtkampf darum, wer was wann macht. Der Mensch ist nur von außen betrachtet eine Einheit, für sich aber ein politisches Gebilde mit teilautonomen Staaten wie der Atmung oder der Verdauung. Das Ich kämpft um die Vorherrschaft so wie die vielen Triebe und Gelüste, das Gewissen und die Instinkte. Da es von Außen (Gesellschaft, Staat, Familie) immer weniger Zwänge und Angebote zur Orientierung  gibt, braucht es eine Selbstregierung, in der jeder für sich sein souveräner Außenminister, Innenminister, Präsident etc. ist. Thema des Seminars ist also die Selbstregierung. 

Das Seminar umfasst die vier Themenblöcke „Selbstregierung/Fremdregierung“, „Gewaltenteilung“, „Selbstbefehl“ und „Selbstverwertung“. Es handelt sich um vier Blöcke à 1,5 h (Gesamtdauer: 6 h).

I. Selbstregierung und Fremdregierung

Staat, Kirche und Familie haben immer weniger Macht über den Menschen. Was die große Politik verliert, gewinnt dabei die kleine Politik, die Selbstregierung jedes Einzelnen. Als kleinste politische Einheit ist sich der Mensch sein eigener Gesetzgeber und betreibt eine Mikrophysik der Macht für sich. Die Selbstregierung ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Was früher als außergewöhnliche Selbsterfindung galt und originelle Gestalten wie Platon, Epikur und Montaigne hervorbrachte, ist heute das Pflichtprogramm für jeden Einzelnen geworden. Ob man will oder nicht – man muss sich selbst regieren.

II. Gewaltenteilung

Im Menschen gibt es so wie im Staat eine Gewaltenteilung. Die entscheidenden Fragen sind dabei dieselben: Wer dient, wer regiert? Wer macht wann was für wen? Wer ist oben, wer ist unten? Wer in mir ist aktiv, wer in mir ist passiv? Anhand einfacher Beispiele (Klavierspielen, Bau einer Natursteinmauer, erotische Berührung) wird erklärt, wie kleine Umstürze in der Politik des Selbst vorgenommen werden können. Wie wird das Ich arbeitslos gemacht, damit die Hände bei Klavierspielen ein „es macht in mir“ hervorbringen? Welche Modelle der Arbeitsteilung zwischen Ich und Mich gibt es überhaupt? Wie lassen sie sich anleiten?

III. Selbstbefehl

Kommt der Alkoholiker am Kühlschrank vorbei, meldet sich bei ihm ein „Greif doch zu“ – Dämon. Etwas flüstert in ihm, den Kühlschrank aufzumachen und einen kleinen Umtrunk vorzunehmen. Das alkoholische Gewissen fordert auf, überredet und verharmlost. Es ist leicht, den inneren alkoholischen Gelüsten nachzugeben. Doch wie sieht eine Selbstregierung aus, indem man aus freiwilligen Motiven handelt? Ein solches System von Zug und Sog wird anhand der Diäten beschrieben, wo der Diätetiker sich selbst einem Diktat der Gebote und Verbote unterwirft. Darin findet sich ein leichter Zugang zu einem komplexen Regelwerk, das von Innen heraus gelebt wird und sich zum Guten wie zum Schlechten auf das ganze Leben übertragen lässt.

IV. Selbstverwertung: politische Ökonomie des Lebens

Wer sich selbst regieren möchte, muss wissen, wie er sich verwerten will. Das alte Modell, sich durch Arbeit nützlich zu werden und dabei möglichst viel an Besitz und Geld anzuhäufen, davon den kleineren Teil zu verbrauchen und den größeren Teil dauerhaft aufzusparen, gerät aus der Mode. Selbstverschwendung, Hedonismus, Daseinsvorsorge, Altruismus, Askese und Verausgabung sind verschiedene Formen der Lebensökonomie, die diskutiert werden, um die Dimensionen der Selbstverwertung aufzuzeigen.

Selbstregierung

Broschüre zu den Inhalten des Seminars.

Auf Anfrage.