Was ist Phänomenologie ?

Ob Traum, Tatsache oder Halluzination – für die Phä|no|me|no|lo|gie ist alles Phänomen, sofern es Erlebnis ist. Was der Mensch erlebt, ganz gleich was es ist, ist somit Gegenstand der Lehre von der Erscheinungen. Jedes Phänomen (Erlebnis) ist eine Wirklichkeit in sich, die wohl wahr oder falsch sein kann, deswegen aber nicht unwirklich. Thema der Phänomenologie ist also die subjektive Wirklichkeit des Erlebens.

Die deskriptive Phänomenologie beschreibt die Phänomene. Dabei zeigt sich, das jedes Erlebnis in seiner Erscheinung über sich hinaus geht: ein Haus z.B. wird nur von einer Seite unmittelbar gesehen, während Rückseite, Seitenansichten und Innenleben gar nicht anschaulich sind, sondern als Möglichkeiten bloß vermeint werden. Wer also nachts allein in der Tiefgarage ist und tausend bedrohliche Möglichkeiten erlebt, der sieht all das nicht unmittelbar, sondern stattet das Phänomen damit aus und erfindet etwas hinzu. Diese Einheit aus Tatsache und Phantasie ist in allen Phänomenen gegeben und bezieht sich auf Gesehenes, Gehörtes, Gedachtes, Gewolltes und Vorgestelltes. Sichtbares und Unsichtbares kommen zusammen, so dass das unmitelbar Anschauliche immer einen unsichtbaren Horizont besitzt.

Phänomen bedeutet damit, das immer mehr in ihm steckt, als sinnlich gegeben ist. Jedes Phänomen geht über sich hinaus: es intendiert. Die Intention macht die Möglichkeit zur Wirklichkeit und besteht darin, etwas in etwas zu sehen. Das Haus z.B. wird gar nicht als Gegenstand gesehen, sondern nur in einer Ansicht. Der Mensch, der es sieht, macht daraus erst das Haus: er setzt den Vollgegenstand „Haus“, der damit der intentionale Gegenstand wird.

Die eidetische Phänomenologie untersucht diese Auffassungen als Hinzuerfindungen (Apperzeptionen) in ihren jeweiligen Wesen zu erfassen. Raum und Zeit etwa sind nicht Aspekte der Welt, sondern werden vom Menschen als Subjekt erst hervorgebracht. Das innere Zeitbewusstsein folgt dabei ganz bestimmten Gesetzen, die jeweils ein Eidos (Wesen) bilden. Raum, Zeit, Modalität, Kinästhesen etc. zusammengenommen ergeben dabei ein Wesen alles Seienden und verweisen im Letzten auf die Phänomenalität.

Phänomenalität bezeichnet das Wesen der Erscheinung, das keinen Inhalt mehr hat, also überhaupt nicht mehr anschaulich ist. Wer z.B. meditiert und dabei eine vollkommenen Leere als Fülle in sich erlebt, der kommt der Phänomenalität als Weise allen Erscheinens nahe. Er erlebt dann keine Inhalte mehr, sondern nur das Wie des Erlebens, das Phänomenalität genannt wird. Diese Leere ist deswegen im Erleben Fülle, weil sie in Affektivität (Gefühl) besteht. Die Affektivität ist der Grund allen Sich-Erscheinens, also aller Phänomene.